Gaskrise und blackout: Wie ist die Lage für Nordbayern, Fürth und Nürnberg? Gedanken der FDP Stadt und Land Fürth

Brauchen wir in Stadt und Landkreis Fürth Notfallmaßnahmen im Winter? Droht ein blackout durch eine Gaskrise? Was sind die Alternativen? Daniel Bayer ist Kreisvorsitzender der FDP Fürth und macht sich Gedanken.

Daniel Bayer stellt Fragen zur Energiekrise

Wenn eine akute Notlage bevorstünde: Müssten die Behörden in Stadt und Land Fürth jetzt klare Handlungsempfehlungen erstellen? Was passiert mit der sanitären Installation bei Frost in Gebäuden? Gibt es Empfehlung für Notstromversorgung von Heizanlagen in Wohnhäusern? Ist in Stadt und Land Fürth bekannt, wie viele pflegebedürftige, beatmete oder dialysepflichtige Menschen zu Hause leben? Bei insgesamt ca. einer viertel Million Einwohner? Bei längerem Stromausfall würden betroffene Menschen leiden oder kurzfristig versterben. Wird nachgedacht, wie private Gasthermen einzeln wieder aktiviert werden können, nachdem der Gasdruck wieder ansteht? Wo sind klare Leitlinien, damit die Bürger Eigenverantwortung ergreifen können? Ich beobachte die Lage in Stadt und Landkreis Fürth. Und habe dazu nachgedacht.

Wie viele nennenswerte Kraftwerke haben wir in Nordbayern?

Gaskraftwerk Franken 1

Das einzige, nennenswerte Kraftwerk in Nordbayern ist Franken I in Nürnberg Gebersdorf. Es handelt sich um ein Gaskraftwerk mit ca. 800MW Leistung. Bei Insidern wird es als Mutter der GuD-Kraftwerke bezeichnet. Es nutzt die Energie aus Gas sehr effizient. Und kann in Notlagen auf leichtes Heizöl umgestellt werden. Als Notreserve stehen neben dem Kraftwerk drei große Speicher mit insgesamt 24.000 Tonnen leichtem Heizöl. Ich hoffe, dass im Notfall diese Speicher über eine unterirdische Pipeline versorgt werden. Denn sonst bräuchte man ca. 730 Tanklastzüge oder ca. 450 große Tankwaggons um die Behälter nachzufüllen. Ich frage mich, ob es stimmt, dass diese Reserve von 24.000 Tonnen Heizöl dort ohne Nachschub für nur eine Woche Vollbetrieb reicht?

Haben wir in Nordbayern Gasspeicher?

In den 1960er Jahren wurde in Eschenfelden östlich von Nürnberg ein unterirdischer Gasspeicher errichtet. Er fasst ca. 60 Mio. Kubikmeter Gas. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit wurde dieser im April 2021 still gelegt (link). Kann es sein, dass wir in ganz Nordbayern keine großen Gasspeicher haben? Und unser Gas „just in time“ geliefert und verbraucht wird?

Das Pumpspeicherkraftwerk Happburg ist seit über 10 Jahren außer Betrieb.

Können wir regenerativen oder überschüssigen Stom speichern?

Ende der 1950er Jahre wurde in Happburg im Nürnberger Land ein Pumpspeicherkraftwerk errichtet. Es kann 840MW/h Stromleistung speichern. Leider ist dieses Pumpspeicherkraftwerk seit über 10 Jahern trocken. Die Genehmigung und Finanzierung der Sanierung zieht sich seit Jahren hin (link uniper). Können wir in guten Zeiten Strom für schlechte Zeiten in Nordbayern überhaupt speichern?

Shary Reeves erklärt im Video für den VDE, was passiert wenn alle gleichzeitig Strom tanken.

Ladesäulen und Elektromobilität

Gemäß den Gedanken Einiger soll die Mobilität in Zukunft rein elektrisch werden. Ist zur aktuellen Netzlastberechnung bekannt, wie viele privat installierte wallboxen in Stadt und Land am Netz sind? Bei den öffentlichen Ladesäulen ist Bayern ein Spitzenreiter (link statista). Dagegen ist die Anzahl von Ladesäulen in privaten Haushalten nicht genau bekannt. Mehrere tausend Ladesäulen mit jeweils mehreren kW an Bedarf werden nun auf unser Stromnetz treffen. Laut dem VDE helfen gegen lokale Stromengpässe gut ausgebaute Netze. Sowie eine intelligente Steuerung der Verbraucher (link vde). Das Problem ist nur: Wir haben derzeit weder das Eine noch das Andere.

Der Rhein-Main-Donau-Kanal am Hafen Nürnberg

Wie kommt die Kohle zu uns?

Ersatzweise ist die Stromerzeugung mit Kohle geplant. Seit Jahren werden Kohlezechen in Deutschland geschlossen. Sowohl in NRW als auch im Saarland und den neuen deutschen Bundesländern. Dafür wird Kohle aus fernen Ländern importiert. Die Hälfte des deutschen Verbrauchs wurde bisher aus Russland gedeckt (link destatis). Viel Kohle kommt aus Osteuropa oder sogar Australien. Wenn nun vermehrt aus Osteuropa Getreide über Binnenflüsse transportiert wird. Wodurch Kapazitäten der Frachtschiffe gebunden werden (link vdi). Und der Niedrigpegel auf Rhein und Elbe weiter anhält: Kann dann die benötigte Kohle für Alt- und Reservekraftwerke überhaupt zu den Kraftwerken transportiert werden?

Frauenaurach, ehemaliges Kohlekraftwerk im Jahr 2022

Haben wir Kohlekraftwerke in Nordbayern?

Ich sehe auf die Karte der Kraftwerke in Nordbayern. Und finde keine Kohlekraftwerke. Die Kohlekraftwerke bei Frauenaurach und Arzberg wurden vor fast 20 Jahren stillgelegt und abgerissen. Ich frage mich, wie wir in Nordbayern auf Kohle setzen sollen? Wir haben dafür gar keine Kraftwerke (link Umweltbundesamt). Alternativ dazu steht bei Ingolstadt noch ein Ölkraftwerk im StandBy. Seine Blöcke 3 und 4 wurden von der Bundesnetzagentur als systemrelevant eingestuft. Daher wird die Stilllegung seit 2015 verhindert. Das Ölkraftwerk Ingolstadt kann aus Block 3 und 4 je ca. 386MW liefern (link wikipedia). Und somit in der Summe das Gaskraftwerk Franken 1 ersetzen. Die Anbindung an Nürnberg läuft über eine 380kV-Trasse durch das Umspannwerk Raitersaich im Landkreis Fürth (link vdi).

Werden immense Mengen an Heizlüftern die Gasheizung ersetzen und das Stromnetz belasten?

Ist Atomstrom relevant oder verzichtbar?

Laut meiner Recherche hat Atomstrom in Deutschland einen Anteil von ca. 10%. In Bayern liegt der Anteil an Atomstrom laut dem Bayerischen Landesamt für Statistik bei 27% (link). Doch Neckarwestheim in Baden-Württemberg und Isar 2 bei Landshut sind zur Abschaltung geplant. Gaskraftwerke haben laut gleicher Quelle in Bayern einen Anteil von 15,9%. Insgesamt könnte erheblich Kraftwerksleistung in Bayern fehlen. Und damit auch in der Metropolregion Nürnberg. Wurden die vier Netzbetreiber fachgerecht beauftragt? Für den zweiten Stresstest? Sind zusätzliche Lasten durch tausende von Heizlüftern berücksichtigt? Ich denke an ein Gespräch zwischen welt.de und dem energiepolitischen Sprecher der FDP Bundestagsfraktion, Michael Kruse (link). Wir verbrauchen in Bayern mehr Strom als im Bundesland erzeugt wird. Rein rechnerisch könnte bereits eine Umstellung der Heizwärme von Gashaushalten auf Elektro einen zusätzlichen Bedarf von 400MW erzeugen. Und das allein in Mittelfranken. Laut Bundesnetzagentur verfügt Bayern über nur wenige Reservekraftwerke. Die meisten davon werden mit Gas oder Öl betrieben (link). Daher muss unser Bundesland vermutlich Strom importieren. Moderne Trassen können mehrere GigaWatt transportieren. Doch Vieles dazu steckt noch immer in langwieriger Planung. Wie steht es um die Belastbarkeit unserer bestehenden Hochspannungsnetze nach Nordbayern im Krisenfall? Die Karte der Trassen dazu finden Sie hier (link Karte Hochspannungsnetz vde).

Eine Analyse des Suchbegriffs „Heizlüfter“ über das Werkzeug „google trends“, Juli 2022

Heizlüfter: Die Alternative zur Gasheizung?

Aktuell steigt der Begriff Heizlüfter bei Suchanfragen im Internet massiv an (link google trends). Baumärkte und online-shops stellen eine erhöhte Nachfrage fest. Fast die Hälfte der Haushalte in Deutschland nutzt Gas zur Wärmeversorgung (link 1 statista) (link 2 destatis. Bundesweit haben wir ca. 40 Millionen Haushalte (link statista). Das bedeutet, dass fast jeder zweite Mensch in Deutschland alleine lebt. Mittelfranken hat ca. 876.000 Einwohner (link). Dies entspräche demnach theoretisch ca. 400.000 Haushalten mit Gasversorgung. Allein der Landkreis Fürth hatte laut Zensus 2011 ca. 119.400 Einwohner. In der Stadt Fürth lebten demnach ca. 129.000 Einwohner.

Grafik Erzeugung und Verbrauch Strom Bayern von 2010 bis 2018
Bilanz Strom Bayern, Quelle STMWI

Bundesweit leben im Durchschnitt pro Haushalt ca. 2 Personen. Viele der davon gasversorgten Haushalte planen nun auf elektrische Heizgeräte umzustellen. Pro Heizlüfter entsteht eine elektrische Leistungsaufnahme von ca. 2kW. Und für mittlere und größere Wohnungen werden mehrere Heizlüfter benötigt. Wie viel Leistung wird den verbliebenen Kraftwerken durch private Heizlüfter zusätzlich abverlangt? Ist das bei den Mittel- und Hochspannungsnetzen abbildbar? Wo wir bereits jetzt bayernweit eine Differenz zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch von -10% haben. Zum Ende des Jahres ist geplant, dass Bayern 27% Stromerzeugung durch Atomkraft abschaltet. Ca. 15% der Stromerzeugung entsteht durch Gaskraft und muss deaktiviert oder ersatzbefeuert werden. Ist ein blackout in Nordbayern wirklich so unwahrscheinlich? Oder sollten wir nun ruhig und sachlich die Bevölkerung zu Eigenverantwortung und Krisenvorbereitung informieren?

Mit Notstromaggregaten lassen sich Heizungsanlagen behelfsmäßig betreiben.

Ist eigene Vorsorge für einen blackout notwendig?

Unsere Gesellschaft ist einen fürsorglichen Staat gewohnt: Corona-Hilfen, Kurzarbeit, Sozialsystem, Versicherungen, Freiwillige Hilfsdienste. Im Falle eines blackouts: Was können wir von unserer Gesellschaft an Eigenverantwortung erwarten? Kennen alle Bürgerinnen und Bürger die Empfehlungen des BBK (link)? Ist bekannt, dass Feuerwehr, THW und Rettungsdienst bei Krisen schnell ausgelastet sind. Oder gar nicht ausrücken können, wenn deren Mitglieder selbst privat betroffen sind?

Im Ahrtal wurden viele mobile Heizsysteme bereit gestellt. Wird das auch in Stadt und Land Fürth funktionieren?

Wer informiert in Stadt und Land die Bevölkerung?

Ich bin überzeugt, dass durch gute Vorbereitung mögliche Krisen gut durchlebt werden können. Daher liegt es mir fern, Panik zu verbreiten. Noch haben wir zur Vorbereitung Zeit. Zudem steht noch das zweite Gutachten der Netzbetreiber aus. Wir können aus Problemen gemeinsam gute Lösungen machen. Und Risiken in den Blick nehmen. Doch wer informiert die Bevölkerung über zentrale Treffpunkte in Orten und Städten? Wo bleiben lokale Appelle, die Checklisten des BBK zu nutzen (Bundesamt für Bevölkerung und Katastrophenschutz)? Wer erklärt den Menschen, dass bei Frost und Gasausfall die Heizungsanlagen von Eigentümern eigenverantwortlich gesichert werden müssen? Was passiert im Krisenfall mit ca. 5% unserer Bevölkerung, die pflegebedürftig sind? Oder beatmet werden? Oder von Dialyse abhängen?

Fazit: Seien wir erhlich. So wie es ist kann es nicht bleiben.

Die großen Schritte der Energieversorgung in Deutschland haben wir zwischen den 1950er und den 1980er Jahren vollzogen. In den letzten 30 Jahren ist auch im Bereich Fürth relativ wenig geschehen. Am Projekt 53 (Juraleitung) ist zu sehen, wie lang sich Modernisierung der Netze hinzieht. Zugleich wurde in den letzten 30 Jahren der Katastrophenschutz reduziert. Somit haben wir derzeit mehr Katastrophe als Schutz. So wie es auch Maike Rademaker ab Seite 30 in der Ausgabe 03.2022 des „Liberal“ schrieb (link). Wir brauchen nun einen Plan um kurzfristig die kommenden Monate zu meistern. Und um langfristig die Energwiewende voranzutreiben. Trauen wir uns wieder etwas zu. Und seien wir ehrlich. Zu den Bürgern in Stadt und Land Fürth.

Nachbemerkung Besitzverhältnisse der Kraftwerke

Bei der Recherche kam zu Tage, dass das Gaskraftwerk Franken I, das Pumpspeicherkraftwerk Happburg, der Porenspeicher Eschenfelden, das Ölkraftwerk Ingolstadt und zahlreiche Wasserkraftwerke im Besitz des Unternehmens Uniper sind. Bundesweit gehören dem Unternehmen mehr als 100 Kraftwerkseinheiten mit einer Nettoleistung von mehr als 8GW. Einige Kraftwerke bestehen aus mehreren Einheiten. Das Speicherkraftwerk Happurg hat zum Beispiel vier Einheiten. Aus Bayern gehören ca. 90 Kraftwerkseinheiten mit einer Nettoleistung von ca. 3GW zu Uniper. Mehr als 80 Einheiten davon nutzen als Energieträger Wasser. Das Unternehmen entstand im Jahr 2016 aus der Abspaltung von E.ON (link wikipedia).

updates und Ergänzungen zum Artikel

Rechtsgrundlage Erdölbevorratungsgesetz, ErdölBevG (link)

Wohnungen mit Ölheizungen nach Regierungsbezirken. Raum Nürnberg hat bayernweit geringste Anzahl. Statt dessen Gasversorgung?

Quelle Grafik Visualisierung Ölheizung nach Regierungsbezirk (link)

update 2022-07-26 Der Fall Hofheim-Lorsbach zeigt, welche konkreten Folgen der Ausfall der Gasversorgung hat (link)

update 2022-07-28, nach Seite 9 der Statistik Q1/2022 vom BayLandesamt sieht die Lage noch schlechter aus. 34% Atomstrom und fast 30% aus Gas (link)

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