Spannendes Bürgerspräch NEA zur Pflege in der Krise mit MdL Dominik Spitzer

12 fachkundige Gesprächspartner trafen sich am 27.04.2023 in Ipsheim zum FDP Bürgergespräch. Herr Dr. Spitzer, MdL musste im Verlauf eingestehen, dass auch er die brisante Lage der ambulanten Pflegedienste unterschätzt hat. Auch zwei fachlich relevante Mitglieder der FDP Fürth nahmen am Gespräch teil.
Dieses Bürgergespräch zeigt, wie wichtig die Beteiligung der Betroffenen und der Bürger ist. Herr Johannes Lösch begrüßte alle Teilnehmer. Er berichtete vom Ausflug auf die Messe „Altenpflege“ in Nürnberg, den Potentialen und Eindrücken. Noch ist Pflege in der Öffentlichkeit ein Randthema. Doch das wird sich ändern. Nach kurzer Vorstellungsrunde erkundigte sich Dr. Spitzer in konkreten Fragen bei den Gesprächsteilnehmern. Neben finanziellem Mangel wurde auch der Personalmangel schnell Thema. Erschreckend war die Lage bei Motivation und finanzieller Ausstattung der vier anwesenden Betreiber von ambulanten Pflegediensten. Denn drei von ihnen stellen in Frage, ob sie am Ende des Jahres 2023 noch existieren. Dabei versorgt jeder einzelne Pflegedienst JEWEILS mehr als 100 Plegebedürftige.
Konstruktive Vorschläge beim Bürgergespräch
Die Lösungen sind da. Nur werden diese nicht gehört. Doktor Spitzer ist trotz seines Mandates weiterhin praktizierender Arzt. Somit konnte er mit gezielten Fragen vom Publikum Antworten finden. Ein großes Anliegen der Anwesenden war die Zusammenlegung von externen Kontrollstellen um Doppelarbeit und Doppelprüfungen zu vermeiden.
Verwahrlosung und soziales Elend nehmen zu
Erschreckend war zu hören, das ambulante Pflegedienste zunehmend mit sozialem Elend und Verwahrlosung konfrontiert werden. Auch im Bereich Neustadt Aisch und Fürth. In vielen Fällen bleiben die ambulanten Dienste dann auch noch auf Kosten sitzen. Die Forderung nach mehr Gehalt sowie die Tarifbindung erzeugen immense Personalkosten. Diese Kosten wiederum werden von den Kassen nicht ausgeglichen. Die Pflegedienste zahlen drauf. Somit lässt sich der Zeitpunkt von Betriebsaufgaben nun ausrechnen. Und das bei Betreibern, die bisher und seit Jahrzehnten mit Freude gearbeitet und gepflegt haben.
Das Problem der Leiharbeit
Länger diskutiert wurde das Problem der Leiharbeit. Es wurde von Kosten für Leihkräfte von 8.000 bis 12.000 pro Monat berichtet. Für ambulante Pflegedienste, Pflegeheime und Kliniken ein unbezahlbarer Brocken. Schnell wurde der Konsens erzielt, dass die ausufernde Leiharbeit gesetzlich begrenzt werden muss um die finanzielle Handlungsfähigkeit der Pflegedienste besser zu wahren.

Zeitbudget statt Leistungsbudget
Fachlich ging es um Alternativen zum aktuellen Modell der Abrechnung. Bisher werden Leistungen mit Pauschalen vergütet. Von den Pflegenden wird jedoch ein Zeitbudget erwartet. Das bedeutet, dass die Pflegenden zusammen mit den Gepflegten entscheiden können, wie die Zeit eingesetzt wird. Ob es nun Nähe und ein offenes Ohr ist. Oder Unterstützung bei den Aktivitäten des täglichen Lebens. Dies würde die Pflege auch dem Thema Burtzorg näher bringen. Ein in Fachkreisen viel besprochenes und diskutiertes Konzept. In dem auf kommunaler oder lokaler Ebene die Pflege vernetzt und übergreifend organisiert wird.
„Die Betreiber der ambulanten Dienste können nicht mehr“
Kernantwort auf die Frage von Dr. Dominik Spitzer
Wie viele von euch denken ans Aufgeben?
Doktor Spitzer stellte frontal die Frage an die anwesenden Pflegedienstbetreiber: „Wie viele von Ihnen denken ans aufgeben?“ Zu seiner Überraschung lag die Quote bei fast 100%, die ans aufhören denken oder sogar bereits konkrete Planungen dazu haben. Und das noch im laufenden Jahr. Zentral war in dem Punkt der Satz der Betreiber: „Die Betreiber der ambulanten Dienste können nicht mehr“.
Wie ist die Lage der stationären Pflege?
Danach erkundigte sich Dr. Spitzer zur Lage der stationären Pflege. Es wurde rückgemeldet, dass es zu langen Wartelisten für Neuaufnahmen von Pflegebedürftigen kommt. Gewarnt wurde von dem drohenden Fachkräftemangel und dem Fortschreiten der Demografie.
Der Fachkräftemangel
Die Pflegedienste kommen ihren Arbeitskräften bereits maximal entgegen. Individuelle Modelle der Arbeitszeiten ermöglichen fast Allen ihren Job auszuführen. Seien es so genannte Müttertouren für beschäftigte Elternteile. Oder regionale und zeitliche Ausrichtungen. Einig war man sich in der Forderung, den Beruf durch politische Rahmen und mediale Darstellung wieder attraktiv zu zeigen und attraktiv zu gestalten.
Was kann man tun?
Hauptlast der Pflegenden ist die überbordende Verwaltung. Zugleich stellen die Nachwirkungen aus der Corona-Zeit die Betreiber noch immer vor Schwierigkeiten. Verwaltungsbehörden und Kontrollstellen halten mit Erbsenzählerei auf. In einem Fall kam es zu fast 40.000 Euro Nachforderung aus angeblich falsch abgerechneten Covid-Tests.
Die Kritik an der Generalistik
Hier sprachen sich die Gesprächsteilnehmer gegen die Generalistik aus. Und mahnten, die Evaluation abzuwarten.
Respektvolle Verwendung von finanziellen Mitteln
Einhelliger Wunsch war, die vorhanden Steuergelder künftig sinnvoll einzusetzen. Denn es läge nicht an der Summe sondern an der zielgenauen Verwendung. Zugleich wurde erneut erbeten, die Dokumentation zu reduzieren. Der elektronischen Patientenakte ePA war man im Gespräch aufgeschlossen. Herr Dr. Spitzer zeigte nach Estland. Wo laut ihm ca. 98% der Bürgerinnen und Bürger an der digitalen Patientenakte teilnehmen.
Weiteres
Im Verlauf des Abends ging es sehr fachlich zu. Und die Teilnehmer waren voll dabei. Sehr zum Leidwesen des anwesenden Journalisten der Fränkischen Landeszeitung, dem die Fachbegriffe nur so um die Ohren flogen. Was jedoch klar zeigt, dass ambulante Pflege weit mehr ist, als der Wechsel von Bettpfanne oder die Unterhaltung mit dem Menschen. Ambulante und stationäre Pflege ist eine komplexe Herausforderung. Und zugleich droht die Pflege vor Ort durch überbordende Bürokratie, fehlendes Geld oder sture Rückforderungen zu kolabieren. Eine Teilnehmerin sagte ziemlich angefasst und wörtlich: „Die Gesellschaft wird uns noch brauchen und in Gold aufwiegen. Nur ist es dann zu spät wenn wir weg sind.“.

Fazit und Danksagung
Herzlichen Dank an Dr. Dominik Spitzer und seiner Kollegin Frau Hildensburger. Danke fürs Zuhören. Danke für Ihr Interesse. Und die offene Aussprache. Sowie Dank an Johannes Lösch und dem FDP KV Neustadt Aisch / Bad Windsheim. Es entstand der Wunsch nach weiteren Gesprächen um der Pflege mehr Stimme zu geben.